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Geistliche Impulse in diakonischer Fort- und Weiterbildung

Dieser Beitrag basiert auf Erfahrungen und Methoden meiner beruflichen Tätigkeit als Leiterin des Fortbildungszentrums auf der Anscharhöhe des Diakonischen Werkes Hamburg (DFA). Die Bildungseinrichtung entstand 1989 unter meiner Leitung mit dem Ziel, in Fortbildungsseminaren und Weiterbildungen, in Inhouse Schulungen sowie durch Handbücher und Arbeitshilfen für die Praxis, in Leitbild- und Profilentwicklung bis hin zur Entwicklung der Konzeption des Diakonie-Siegel Pflege für die immer umfangreicher werdenden Anforderungen in der ambulanten, teilstationären und stationären Alten- und Krankenpflege zu qualifizieren.

Ich möchte hier in fünf Schritten darstellen,  wie wir innerhalb Fortbildungsarbeit geistliche Impulse geben, um ein diakonisches Profil zu entwickeln.

1. In der Fortbildungsarbeit geben wir u.a. geistliche Impulse durch unterschiedliche Formen von Andachten zu Beginn des Tages und Segensworte am Abschluss des Seminars.

Wir möchten damit zu einem tieferen Wahrnehmen des eigenen und fremden Lebens anregen, um eigene und geistliche Kraftquellen neu zu entdecken und damit vielleicht Glauben und die Wirklichkeit Gottes erfahrbar zu machen.

Für diese geistlichen Impulse wählen wir unterschiedliche Methoden. Neben traditionellen Andachten haben Stille-, Achtsamkeits-, Atem- und Körperübungen, Entspannungstechniken, Besinnungen und Meditationen anhand von Symbolen sowie unterschiedliche Segenshandlungen und Segnungsformen einen festen Platz im Seminarbetrieb. Ich möchte hier exemplarisch über Erfahrungen mit Besinnungen anhand von Symbolen berichten.

Symbole sind Zeichen, die über sich hinaus weisen. Sie veranschaulichen Geistiges, einen Sinn, eine Idee, Unsichtbares. Symbole umfassen kognitive und affektive, bewusste und unbewusste Elemente.

2. Wir knüpfen an Grundfragen der Teilnehmenden an,  indem wir ein Symbol als Schlüssel wählen das helfen kann,  ihre Situation zu entschlüsseln.

Beispiel: Teilnehmerinnen kommen zum ersten Mal in das Fortbildungszentrum. Sie sind lernbereit, fühlen sich aber unsicher, ausgebrannt, abgehetzt. Mit einer Besinnung beginnt das Seminar. Die vermutete Befindlichkeit der Teilnehmenden wird indirekt thematisiert, indem jede/r ein Schneckenhaus erhält.

Wir geben Zeit, sich mit dem Schneckenhaus vertraut zu machen, dann assoziieren wir gemeinsam: Wir möchten

  • behaust sein, wie die Schnecke
  • das richtige Maß finden zwischen Fortschreiten und Insichkehren, Unterwegs- und Zuhause sein
  • bedächtig werden wie die Schnecke, sie findet ihre eigene Geschwindigkeit
  • Langsamkeit entdecken und trotzdem zum Ziel kommen
  • beharrlich und empfindsam werden wie eine Schnecke, die ertastet, was ihr gut tut
  • in dieser Weise auch miteinander umgehen, andere nicht "zur Schnecke“ machen, sondern sie/ihn in ihrer/seiner Situation sensibel wahr- und ernstnehmen.

Hier wird mittels eines Symbols die Situation der Teilnehmenden aufgeschlossen. Es können weitere Symbole des Zuhause-Seins und Ans-Ziel-Kommens assoziiert werden.

Ob sie auf ihre religiöse Dimension und auf den Bezug zu christlichen Inhalten hin ausgelegt werden, ist in der Situation selbst zu entscheiden und hängt von der Offenheit in dieser Anfangssituation ab.

3. Die Arbeit mit Symbolen als geistlicher Impuls setzt einen didaktischen Ansatz voraus, der teilnehmerorientiert, ganzheitlich, situations- und handlungsbezogen ist.

Wenn Grunderfahrungen durch Symbole erschlossen und dadurch Entsprechungen zwischen Glauben und Leben aufgezeigt werden sollen, kann der Ansatzpunkt entweder im Symbol oder in der Lebenswelt liegen. In der Fortbildungsarbeit setzen wir meist bei einem Symbol an, um Erfahrungen bewusst zu machen und Grundfragen nach Identität, Verantwortung, Liebe, Freiheit, Schuld, Versagen, Tod, Glaube, Gerechtigkeit anzusprechen.

4. Symbole ermöglichen sprachliche, bildliche und sinnbildliche Sensibilisierung.

Die Begegnung mit Symbolen kann methodisch sehr unterschiedlich gestaltet werden. Symbole können erlebt, angeschaut, erfahren, erzählt, gemalt, imaginiert, erkundet und gefeiert werden. Wenn wir auf Symbole zu achten beginnen, können wir symbolische Elemente überall in unserem Leben entdecken. Es können z.B. Alltagsgegenstände, Geschichten, Gedichte, Texte, Bilder, Fotos sein. Sie können uns ein tieferes Verständnis unseres Daseins erschließen und als Schlüssel unverzichtbar werden. Doch immer weist ein Symbol über sich hinaus und umreißt Unvorstellbares und Unaussprechliches, nämlich tiefere, verborgene Schichten der Lebenswirklichkeit, die dem Sichtbaren und Vordergründigen zugrunde liegen.

Geistliche Impulse können nicht isoliert und unabhängig von den sonstigen Arbeitsbedingungen und Rahmenbedingungen gegeben werden. Umgangsstil,  Leitungsstil, Atmosphäre und Raumgestaltung u.v.m. ermöglichen oder verunmöglichen eine Sensibilisierung durch Symbole.

Für unsere Fortbildungsarbeit heißt das, dass geistliche Impulse gewollt und getragen werden durch das Fortbildnerinnen-Team und eingebettet sind in die Kultur des Umgangs miteinander sowie in dem Lernprozess im Seminar. Nicht der Bibelspruch an der Wand, sondern die Atmosphäre einer Einrichtung, gestaltet durch Blumenschmuck, Kerzen, Pflanzen, Bilder, Meditationstücher etc. und der Stil des Umgangs miteinander hilft Menschen, sich für geistliche Impulse zu öffnen.

Zeichen, dass der oder die andere in seiner oder ihrer jeweils ganz individuellen Situation wahrgenommen und ernstgenommen wird, können sehr vielfältig sein. Dazu kann der Kaffee aus fairem Handel gehören, ebenso wie Sammlungen für Asylbewerber oder eine Klagemauer zu Nachrichten aus Kriegsgebieten

Gleichzeitig sollte deutlich werden, dass der Umgang mit Symbolen nicht nur "gemacht" wird für die Teilnehmenden, sondern Teil der Kultur in der Fortbildungseinrichtung ist. Das kann z.B. sichtbar an einem Baum werden. Eine große Krone, auf eine Styropor-Platte gemalt und ausgesägt, wird von einem Birkenstamm gehalten. Dieser Baum ist je nach Situation wechselnd ein Wunschbaum, ein Hoffnungsbaum, ein Segensbaum, ein Friedensbaum, ein Informationsbaum, ein Freundschaftsbaum mit Ausländern. Die Styropor-Platte eignet sich als Pinnwand für Texte, Segensworte, Sprüche, Bilder, je nach Thema. Und dieser Baum ist ein anregender Treffpunkt und Impuls für Gespräche im Fortbildungszentrum.

5. Zusammenfassung

Ich möchte das Gesagte noch einmal anhand eines Schaubildes zusammenfassen. Es zeigt das Beziehungsgeflecht des Gesagten, wie die einzelnen genannten Elemente eng miteinander verknüpft und voneinander abhängig sind. Fehlt eines der Elemente, ist anderes nicht mehr stimmig. Insofern sind geistliche Impulse wohl mit das Sensibelste in unserer Arbeit und sie tragen u.a. dazu bei, der Fortbildungsarbeit ein eigenes diakonisches Profil zu geben. Unser Wunsch ist, dass dieses Profil auch in die Einrichtungen der Diakonie weitergetragen und dort erfahrbar wird.

Einfluss-Faktoren: Schaubild des Beziehungsgeflechts

Beziehungsgeflecht

Erst, wenn die wechselseitige Beeinflussung innerhalb dieses Beziehungsgeflechts angemessen berücksichtig wird, können geistliche Impulse als authentisch und stimmig von Teilnehmenden wahr- und angenommen und Teil einer Strategie zur Profilierung des Diakonischen Profils durch Fort- und Weiterbildung werden, zum Wohl der Teilnehmenden, ihrer Einrichtungen und nicht zuletzt der uns beruflich anvertrauten Menschen.

Uta Rüppel